Liesel Christ

Als die Mutter der Fernsehfamilie Hesselbach aus den Sechzigerjahren ist sie bis heute unvergessen: Liesel Christ. Doch die Schauspielerin war viel mehr als nur „die Mamma“ in der hessischen Kultserie. Seit ihrem ersten Bühnenauftritt im Alter von viereinhalb Jahren ging Liesel Christ mittels harter Arbeit und disziplinierter Zielstrebigkeit erfolgreich ihren Weg – der sie schließlich bis zur Gründung und Leitung des Volkstheaters Frankfurt führte.

Liesel Christ als Bibbo
Liesel Christ als Bibbo in Zuckmayers „Katharina Knie“, Volkstheater Frankfurt, 1978
(Foto: Egon Wachendörfer)

Geboren am 16. April 1919 in Frankfurt am Main als das 13. Kind einer Arbeiterfamilie, erschien die vierjährige Liesel 1923 im Kinderballett des Opernhauses ihrer Heimatstadt erstmals auf der großen Bühne. Damit startete sie in eine Karriere als Kinderstar der Frankfurter Theater. Populär wurde „die klaa Christ“ als Peterchen in „Peterchens Mondfahrt“, dem Weihnachtsmärchen des Opernhauses von 1926. Als sie den Kinderrollen buchstäblich entwachsen war, begann sie im Alter von gerade 14 Jahren eine Schauspielausbildung – als damals jüngste Schülerin an der Hochschule für Musik und Theater in Frankfurt. Noch während ihres Studiums wirkte sie bei den Römerbergfestspielen in Frankfurt mit.

Liesel Christ mit Michael Arco
Liesel Christ und Michael Arco mit Songs aus Brechts „Dreigroschenoper“, Kabarettprogramm, um 1946
(Foto: Erich Fornoff)

Nach dem Abschluss der Schauspielschule 1936 ging Liesel Christ in ihre ersten Engagements, zu­nächst nach Koblenz, dann nach Heilbronn. Dort war „die Chrischt“, sechs Spielzeiten lang, als Operettensoubrette äußerst beliebt. Aus Görlitz, wohin sie 1944 wechselte, musste sie bei Kriegsende zu Fuß zurück nach Frankfurt flüchten. Hier gehörte sie 1953 zu den Gründungsmitgliedern der Landes­bühne Rhein-Main, einer der Volksbildungsbewegung verpflichteten Wanderbühne mit Hauptsitz in Frankfurt. In deren Ensemble wagte sie den Schritt ins Charakterfach der Mutter, spielte erstmals die Marthe im „Zerbrochnen Krug“ und die Mutter Wolffen im „Biberpelz“.

In einer Mundartinszenierung der Landesbühne wurde Liesel Christ für das Fernsehen entdeckt. Von 1960 bis 1963 und 1966/67 war sie insgesamt 51-mal die Mamma Hesselbach in der vielgesehenen Familienserie von und mit Wolf Schmidt. Ihr Ausspruch „Ei, Kall!“ wurde weit über Hessen hinaus zum geflügelten Wort. Mammas Schatten lag in den Sechzigerjahren allerdings über der weiteren Karriere der Schauspielerin.

Liesel Christ als Wirtsfrau Gustel
Liesel Christ als Wirtsfrau Gustel (Mitte) mit Gaby Reichardt als Malchen und Georg Lauran als Kleist in der Uraufführung von Scheu/Nebhuts „66 oder die Preußen kommen“, Landesbühne Rhein-Main, 1958
(Foto: Günter Englert)

Die Christ setzte sich trotzdem durch: Trotz vieler Widerstände gründete sie 1971 das Frankfurter Volkstheater, das sie seitdem leitete. Sie schuf damit dem literarischen Volkstheater im Frankfurter Dialekt eine Bühne. 1979 brachte das Volkstheater Frankfurt den „Urfaust“ mit hessischem Zungen­schlag heraus, damals ein gewagtes Experiment, das zum sensationellen Erfolg wurde und Maßstäbe für das moderne Mundarttheater setzte. Seitdem brillierte die Theaterchefin ebenso in den Hauptrollen der Frankfurter Lokalstücke wie auch etwa als Marthe Schwerdtlein und als Mutter Courage. Ab 1989 war Liesel Christ wieder in einer großen (hessischen) Fernsehserie präsent, in der ZDF-Serie „Mit Leib und Seele“ mit insgesamt 51 Folgen, in der sie an der Seite von Hauptdarsteller Günter Strack als Pfarrer Kempfert dessen Haushälterin Agnes Bebel spielte.

Weiterhin stand Liesel Christ dem Volkstheater Frankfurt als Prinzipalin und Erste Schauspielerin vor. Am 4. Dezember 1993 feierte sie in der Rolle der Wirtin Anna Stuwart in dem Lokallustspiel „Ein Glas Eppelwein“ im Volkstheater ihr 70. Bühnenjubiläum. Ihre letzte und liebste Rolle war die Frau Gudula in dem Lustspiel „Die fünf Frankfurter“ über die Geschichte der Familie Rothschild. Am 15. August 1996 starb Liesel Christ im Alter von 77 Jahren in ihrer Heimatstadt Frankfurt.

Sabine Hock

Titel Buchausgabe Biographie Liesel Christ Eine ausführlichere Biographie von Liesel Christ ist online im Frankfurter Personenlexikon zu lesen.

Das Buch „Liesel Christ – Volksschauspielerin“, verfasst von Sabine Hock, ist 2004 erschienen und im Buchhandel nicht mehr erhältlich. Der Volkstheater-Frankfurt-Stiftung liegen noch einige Exemplare vor. Bei Interesse senden wir Ihnen gern ein Exemplar gegen eine Spende an die Stiftung zu.

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